Das Missale Aboense (1488) in der UB Jyväskylä
Das älteste für Finnland gedruckte Buch im Netz

       




Schon vor der Erfindung des Buchdrucks und bevor eigens für Finnland bestimmte Bücher gedruckt wurden gab es in Finnland Büchersammlungen. Die Bischöfe von Turku u.a Bischof Thomas (1220-1245) und Bischof Hemming (1338-1360) hatten eigene Bibliotheken; auch die Priester einiger Landgemeinden besaßen Bücher. Die Gründung der Kathedralschule in Turku stand in engem Zusammenhang mit diesem regen Interesse an Büchern. Von dort sandte man Schüler zum Studium an ausländische Universitäten, z. B. nach Paris, nach Prag oder an deutsche Universitäten. Bei der Rückkehr in ihre Heimat brachten sie außer bestimmten liturgischen Traditionen auch Bücher nach Finnland mit.

Gegen Ende des Mittelalters war die Liturgie des Bistums Turku stark von dominikanischen Traditionen geprägt. Hierauf hatten einmal das Bestehen eines Dominikanerklosters in Turku, das Kloster des Heiligen Olaus, zum anderen das Bevorzugen dominikanischer Zentren durch finnische Studenten bei ihren Studien im Ausland, Einfluß. Die Missalien und Brevarien des Bistums wurden im Mittelalter von den Geistlichen viel benutzt und immer wieder kopiert.

Als man um 1480 das Drucken eines eigenen Missales für das Bistum Turku plante, bot die eindeutige dominikanische Tradition bestimmte wirtschaftliche Vorteile. Es war nämlich möglich, eine für Finnland bestimmte Variante eines allgemeindominikanischen Missales zu drucken, die nur geringe, das Bistum Turku betreffende Abweichungen enthielt.

Im Jahre 1488 ließen Bischof Konrad Bitz und Domprobst Magnus Särkilahti das Missale Aboense bei Bartholomäus Gothan in Lübeck drucken. Diesem Missale gebührt die Ehre, die Geschichte der für Finnland gedruckten Literatur zu beginnen. Dem Namen zu Folge handelt es sich um ein Meßbuch, das hauptsächlich Meßtexte und Gebete enthält. Es beginnt mit einem Vorwort des Bischofs und einer Abbildung, die allegorisch die Kirche Finnlands darstellt. In der Mitte sehen wir den Heiligen Henrik, unter seinen Füßen den barhäuptigen Bauern Lalli mit seiner Axt; rechts und links stehen Konrad Bitz und Magnus Särkilahti. Außerdem enthält das Missale den Heiligenkalender des Bistums sowie als Anhang einige nicht zur dominikanischen Tradition gehörige Meßtexte.Der eigentliche Text des Missales ist in Schwarz, die Rubriken sind in Rot gedruckt.

Typisch für das Werk ist weiterhin der reiche Gebrauch von verzierten Anfangsbuchstaben. Diese sogenannten Initialen sind von Hand ausgeführt und koloriert. Das Missale Aboense erschien sowohl in wertvollen Pergamentausgaben wie in preisgünstigeren auf Papier gedruckten Ausgaben. Wie hoch seine Auflage war, wissen wir nicht genau. Da das Missale aber in zahlreiche Gemeinden des Bistums verteilt wurde, muß es sich um eine Auflage von mehreren hundert Exemplaren gehandelt haben. Das Missale enthält 266 Blatt, also über 500 mit prachtvoller gotischer Schrift bedruckte Seiten in Foliogröße.

Dem Missale Aboense gebührt ein Ehrenplatz unter den Büchern Finnlands: es ist die einzige für Finnland gedruckte Inkunabel.

Der größte Teil der mittelalterlichen Literatur Finnlands verschwand während der Reformationsjahrzehnte. Dicke Pergamentblätter, aber auch Papierbogen wurden zu den verschiedensten Zwecken wiederverwendet. Ein Teil der Blätter, die man u. a. als Deckelfutter für Steuerverzeichnisse benutzte, blieb "aus Versehen" erhalten. Aus diesen Funden konnte man später ganze Bücher wieder zusammenstellen, darunter auch das Missale Aboense. Im ganzen sind vier auf Pergament und 15 auf Papier gedruckte Exemplare des Buches erhalten. Nur eine der Pergamentversionen hat noch ihren ursprünglichen Einband, aber auch dieses Exemplar ist nicht ganz vollständig erhalten. Es befindet sich in der "Königlichen Bibliothek" in Kopenhagen. Ursprünglich gehörte es der Gemeinde Halikko, gelangte aber, wahrscheinlich gegen Ende des Mittelalters, als Raubbeute nach Dänemark. Ein aus Buchdeckelfutter zusammengesetztes Pergament-Exemplar des Buches befindet sich in der "Königlichen Bibliothek" in Stockholm.

In Finnland gibt es zwei auf Pergament gedruckte Exemplare des Missale Aboense, eins davon in der UB Helsinki, das andere in der UB Jyväskylä. Das Exemplar in Jyväskylä wurde in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts von der Bibliothek in Helsinki in die damalige "Bibliothek der Hochschule für Erziehungswissenschaften in Jyväskylä" ausgelagert. Wahrscheinlich wollte man nicht zwei Exemplare eines derart wertvollen Buches am gleichen Ort aufbewahren. Jyväskylä war außerdem als Standort dieses nationalen Kleinods ideal, da es als einzige im Innenland liegende Stadt über eine bedeutende wissenschaftliche Bibliothek verfügte.Auch das Exemplar des Missales in Jyväskylä ist nicht ganz vollständig; es enthält 249 Blätter. Leider fehlen ihm einige besonders schöne Seiten wie z. B. die obenbeschriebene, mit einem Holzschnitt versehene Anfangsseite. Bei der Einweihung des neuen Bibliotheksgebäudes der Universität Jyväskylä im Jahre 1974 wurde der Bibliothek das Missale Aboense mit einer Schenkungsurkunde bleibend übergeben.